Robert Misik: Die falschen Freunde der einfachen Leute

Robert Misik ist, laut seinem Wikipedia-Artikel, österreichischer Journalist und politischer Schriftsteller.
(Frage: was ist ein politischer Schriftsteller? Kann ich mir das auch auf die Visitenkarte schreiben?)

In diesem kleinen Büchlein, dass ihr bei der Bundeszentrale für politische Bildung bekommt (Link am Ende der Seite) betrachtet er die “einfachen Leute” und geht der Frage nach, wer sich hinter diesem Begriff eigentlich verbirgt und wer sie für seine Zwecke zu vereinnahmen sucht.

Misik nähert sich auf 130 Seiten also den “einfachen Leuten” aka “dem Volk” aka “der Arbeiterklasse” an.
Er prüft in wie weit Rechts-, aber auch Linkspopulisten, sogar die Sozialdemokraten, diese Gruppe versuchen auf ihre Seite zu ziehen und auch, wer denn wirklich ihre Bedürfnisse beachtet.

Er zeigt auf, dass die “einfachen Leute” eigentlich nicht als Wahlvolk für Rechtspulisten taugen, sie aber von den etablierten (linken) Parteien so desillusioniert sind, so dass sie diesen enttäuscht den Rücken kehren.

Diese Enttäuschung geht einerseits auf die Identitätspolitik von Links zurück, wie sie in den letzten Jahren schon häufig kritisiert wurde, auf der anderen Seite hat sie mit Ängsten zu tun.

Und diese Ängste sind an vielen Punkten tatsächlich gerechtfertigt, insbesondere wenn es um wirtschaftliche Sicherheit geht, die für die Mittelschicht in Deutschland eben nicht mehr gewährleistet ist.
Hierzu lohnt ein Blick auf die sogenannte Elefantenkurve, die zeigt, dass der wachsende Wohlstand der letzten Jahre bei genau der Gruppe der (fach-)Arbeiter in der westlichen Welt nicht ankommt, während es dem Rest der Welt und den Reichen im Westen größtenteils besser geht. (ausführlicher z.B.: bei den Krautreportern) .

Krautreporter/CC-BY-SA 2.0.

Für die Arbeiter*innen der westlichen Staaten bedeutet Globalisierung also, anders als für den Großteil der Menschen weltweit und für die oberen Schichten in ihren Ländern, nicht mehr Wohlstand, sondern unsicherere Zukunftsaussichten und an manchen Stellen tatsächlich weniger Kaufkraft bei gleicher Arbeit.
Und gleichzeitig, so Misik, sollten die Meinungsmachenden nicht dem Irrtum erliegen, dass die “einfachen Leute” die Armen sind.

Die Arbeiterklasse ist, selbst wenn sie nur über bescheidenen Wohlstand verfügt, eben nicht identisch mit “den Armen”, Und vor allem: Sie will es auch nicht sein. Nichts will sie weniger als das”

S. 37

Und weil sie nicht arm sein wollen, braucht es laut Misik wieder linke Politik, die es ermöglicht ein einfaches Leben zuführen. Dabei geht es weniger um Aufstiegschance, als darum eine Garantie zu erhalten, das Erarbeitete zu halten.

Nicht dass Migranten geholfen wird, regt die Leute primär auf, sondern dass die das Gefühl haben, dass ihnen nicht einmal jemand zuhört. Dass da niemand ist, der in der Nähe, der erreichbar wäre Das ist der Kern in einer politisch-emotionalen Konstellation, die letztlich in aggressive Wut auf jede Form demokratischer oder sagen wir: gewohnter Politik um schlägt.

Misik, Die falschen Freunde. S, 23

Im Buch geht Misik auch der Frage nach, ob die Arbeiterklasse nicht doch Rassistisch ist. Hier beschönigt er nicht, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass diese Wertung aus der Sicht der einfachen Leute, von den gleichen Menschen (Politiker*innen, Journalist*innen, …) getroffen wird, die sie im Stich lassen. Und die sich wenig Sorgen um ihr Gehalt machen müssen.

Fazit:
Interessante Denkansätze, und ich muss es nochmal lesen. Da vieles ineinander greift und noch sacken muss. Und aus einer Strategischen Sicht, eine Lektüre die (linke) Politiker*innen sich vielleicht einmal zu Gemüte führen sollten, bevor sie ihre Wahlprogramme schreiben.

Inhaltsverzeichnis

  • Einleitung „Kleiner Mann, was nun?“
  • Kapitel 1 „Eine Revolte gegen die Globalisierung“
  • Kapitel 2 „Die arbeitenden Klassen – gibt’s die noch?“
  • Kapitel 3 „Eine rebellische traditionelle Kultur“
  • Kapitel 4 „Wie die Arbeiterklasse von den Armen zum Volk wurde“
  • Kapitel 5 „Das Gefühl, jederzeit ersetzbar zu sein“
  • Kapiteln 6 „Ist die Arbeiterklasse rassistisch?“
  • Kapitel 7 „Eine Rhetorik, die spaltet. Ambivalenzen der Identitätspolitik“,
  • Schluss: Man muss die Leute gern haben

Links:
- ein Interview mit Wolfgang Robert Misik zum Thema findet ihr bei Deutschlandfunk Kultur
- eine Buchkritik zum Hören findet ihr bei SWR2
- https://www.socialnet.de/rezensionen/26754.php 
Das Buch ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung in der Schriftenreihe 
(Band 1003) erschienen. Dort könnt ihr es für schmale 1,50 € beziehen.

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