John Lanchester: Kapital

John Lanchester nimmt uns in seinem 800-seitenstarken Roman „Kapital“ mit in die Pepys Road. Diese ist Mittelpunkt der Geschichten und Lebensmittelpunkt unterschiedlicher Akteure.

Roger Yount – der Banker

Roger ist Banker und hat am Anfang des Romans eigentlich nur ein Problem: wird sein Bonus dieses Jahr endlich die 1.000.000 Pfund-Grenze sprengen?
Während dessen gibt seine verwöhnte Frau das Geld schon mal aus. Und auch das Kindermädchen für die zwei Söhne muss finanziert werden. Als der Bonus dann quasi ausbleibt, stürzt das ihn und die Familie in die Krise.

Roger ist damit auch schon derjenige der mit der Finanzkrise am meisten zu tun hat bzw. hätte, wenn er nicht kurz vorher gekündigt worden wäre. Und, meiner Meinung nach, zusammen mit seiner Frau, auch die langweiligste Figur.
1. kennen wir Geschichten aus der Oberschicht schon zu gut. (siehe hier, hier, hier und hier 😉 )
2. wird sehr früh klar, dass er auf die Schnauze fallen wird. Wer Geld ausgibt, dass er noch nicht hat, wird am Ende (des Buches) halt arm auf das Land ziehen müssen.

spannender sind da die anderen… deswegen spoiler ich da jetzt auch weniger…

Fußballgott, Kioskbesitzer, Handwerker, Künstler,…

Rund um Rogers Haus herum tauchen einige andere Personen auf. Wir haben u.a. Freddy, der mit seinem Vater aus dem Senegal nach London gezogen ist um Fußball bei einem Premier-League-Club zu spielen. Eine nigerianische Politesse ohne Arbeitserlaubnis, die täglich in der Straße unterwegs ist, den polnischen Handwerker Zbigniew, der für sehr viele Umbauten in der Straße verantwortlich ist und sich durch verschiedene romantische Abenteuer manövriert, eine alte Dame, die schon in der Pepys Road lebte, als diese noch eine einfache Arbeiterstraße war und eine pakistanische Familie, die alles liefert was man sich denken kann: eine wunderschöne Ehefrau, einen fleißigen Kioskbesitzer, einen Islamisten und eine gefürchtete Schwiegermutter.

„Wir wollen, was ihr habt“…

… das steht auf Postkarten die in der Straße verteilt werden. Laut dem Klappentext ändert sich hiermit das gesamte Leben der Bewohner… das halte ich für eine Idee des Marketings. Die Leben der Akteure sind spannend genug, aber das lässt sich halt schlecht verkaufen.

Fazit

„Ein fulminanter Gesellschaftsroman zur Finanzkrise“ steht auf dem Klappentext. Mit dieser Einschätzung gehe ich nicht ganz mit: die Finanzkrise, die hier immer als Verkaufsargument angeführt wird, hat für die Handlung wenig Bedeutung.

Zwar sind die Häuser in der Pepys Road unglaublich im Wert gestiegen, die Handlung wird davon aber kaum beeinflusst, da die meisten schon lange in der Straße leben. Und Roger Young verliert seinen Job auch nicht weil die Blase platzt, sondern kurz vorher da er nicht mitbekommen hat, dass sein Assistent illegal mit Bankgeld an der Börse gehandelt hat.

Das spannende ist nicht die Finanzkrise. Das spannende sind die Leben und die Wirrungen. Und was das über die Gesellschaft aussagt.
(Wer kommt eigentlich auf die Idee „Geld“ könnte ein spannendes Romanthema sein?)

Wenn ihr also Lust habt einen Einblick in verschiedene Leben zu bekommen, dann ist das Buch lesenswert. Nicht erwarten dürft ihr das was der Klappentext verspricht: eine Geschichte in der die Finanzkrise oder der Krimi rund um die „Wir wollen, was ihr habt.“-Postkarten eine Hauptrolle spielen.

Verfilmung „Capital – Wir alle sind Millionäre“

Der Roman hat in der Taschenbuchausgabe knapp 800 Seiten. Für Lesefaule gibt es aber eine Alternative: die BBC hat die Geschichte einer dreiteiligen Mini-Serie verfilmt.
Im April 2017 lief diese auch auf Arte, beim großen A ist sie als Stream, DVD und BlueRay zu finden. Ebenso bei YT (wusste gar nicht dass es da inzwischen auch Serien gibt, die man kaufen kann).

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